Impact-orientierte Gründer und Gründerinnen stellen die Lösung gesellschaftlich relevanter Probleme in den Mittelpunkt ihres Unternehmens. Obwohl wir heute mehr denn je auf ihre Innovationskraft zur Lösung der globalen Herausforderungen angewiesen sind, sind die Rahmenbedingungen für Social Entrepreneurs noch nicht optimal. Kristina Notz, Executive Director der Social Entrepreneurship Akademie und Leiterin des Social-Startup-Hub Bayern, und Dr. Robert R. Richter, CEO der WERK1.Bayern GmbH, diskutieren, was echter Impact eigentlich ist, wie das Thema stärker in der Gründerszene verankert werden kann und welche Forderungen sie an die Politik haben.
Nachhaltig scheinen ja irgendwie mittlerweile alle zu sein oder schreiben es sich zumindest auf die Fahne. Wird “Impact” heute zum Buzzword?
Kristina Notz: Aus meiner Sicht ist Impact auf jeden Fall ein Trend-Wort! Es wird aktuell sehr häufig in vielen unterschiedlichen Kontexten verwendet, dadurch wird der Begriff austauschbar und es entsteht Verwirrung, was eigentlich gemeint ist. Ich glaube, es ist ein Trend unserer Zeit, dass wir immer Wörter haben, die in aller Munde sind. Das hat aber natürlich den Vorteil, dass Themen dann mehr Aufmerksamkeit bekommen, was für die Sache nützlich ist. Gleichzeitig ist es aber natürlich schwierig, wenn dann wirklich die schon erwähnte Verwirrung aufkommt. Hier muss man aufpassen, dass Konsumenten nicht an der Nase herumgeführt werden, indem negativer Impact ein bisschen schöner dargestellt wird als die Realität ist – das würde ich dann als Greenwashing bezeichnen. Dafür muss man hinter die Kulissen schauen und darf den Marketingabteilungen nicht einfach glauben. Das wissen wir eigentlich alle, aber wir tun es eben manchmal trotzdem!
Auf Startups bezogen bedeutet das, sich ernsthaft mit dem eigenen Impact auseinandersetzen zu müssen – genauso ernsthaft wie mit dem Geschäftsmodell. Die, die das tun, würde ich als impact-orientierte Startups bezeichnen. Dann gibt es noch die, die vielleicht mehr oder weniger zufällig “nebenbei” eine positive Wirkung für die Gesellschaft erzielen. Beides ist gut, es ist nur eine unterschiedliche Herangehensweise.
Buzzwords wie Impact oder KI sind ein Trend unserer Zeit
Robert Richter: Ja, ich stimme dir zu, was dieses ganze “Buzzwording” angeht! In der Tech-Szene sind das viele, die “KI” machen, da muss man auch genau hingucken.
Zum Thema Greenwashing: In Deutschland neigen wir sehr stark dazu, zu verurteilen, ob jemand wirklich richtig Impact hat oder nicht. Ich glaube aber, es ist wichtig, dass jeder das, was er kann, für soziale, für ökologische Projekte macht – das ist für mich immer ein ganz wichtiger Punkt. Im WERK1 haben wir sowohl Startups, die Impact mal mehr, mal weniger als Nebeneffekt haben. Dann gibt es die Teams, bei denen der Impact im Vordergrund steht. Beides ist gut, es sind einfach zwei verschiedene Herangehensweisen, die auf genau das Gleiche einzahlen, beide ihre Berechtigung haben und die volle Unterstützung kriegen sollten, weil beide zu einer besseren Welt beitragen.
Gehen wir einen Schritt zurück: Social Entrepreneurship und Impact, was ist das überhaupt und warum ist es so relevant für die Startup-Szene?
Kristina Notz: Wenn wir von der Social Entrepreneurship Akademie von “Impact” sprechen, dann ist die Wirkung auf die Allgemeinheit, die Gesellschaft, das System bezogen und nicht der Impact auf Einzelpersonen oder kleine Gruppen gemeint. Für mich bedeutet Social Entrepreneurship, dass man einen unternehmerischen Weg wählt, um Probleme in der Gesellschaft zu lösen oder zu verhindern, dass ein Problem überhaupt entsteht. Und dass wir darauf achten, dass der wirtschaftliche Erfolg mit der sozialen Rendite und mit unserer Umwelt im Einklang steht. Das wird auch über die Triple Bottom Line beschrieben: People, Planet und Profit stehen miteinander in Einklang oder sind zumindest alle im unternehmerischen Denken und Handeln berücksichtigt. Wenn man sich unsere Welt heute anschaut, die Krisen, die uns auf der ganzen Welt beschäftigen und die natürlich auch vielfach miteinander verbunden sind – dann ist klar, dass wir Umweltthemen und soziale Gesichtspunkte in unserem Wirtschaften nicht außen vor lassen können.
Ökologisch, ökonomisch und sozial im Einklang
Robert, was heißt Impact für Dich und warum ist es im Bereich Entrepreneurship relevant?
Robert Richter: Jeder sollte ökologisch, ökonomisch und sozial im Einklang leben und wirtschaften – das kann sich auch mal ein bisschen stärker in die Richtung des einen, mal stärker in die Richtung des anderen Aspekts verschieben. Wenn wir uns alle jedoch wieder mehr auf diesen Dreiklang, der im Übrigen auch bedeutender Teil der sozialen Marktwirtschaft war, zurückbesinnen würden, glaube ich, dass wir auch weniger über unsere Verhältnisse leben würden – wirtschaftlich, sozial, wie auch was die Themen Ressourcenschonung, Klima und Co. angeht.
Für große, börsennotierte und damit KPI getriebene Unternehmen mag das nach Jahrzehnten rein kostenoptimierenden Outsourcings erst einmal mühsamer sein, da bestehende Prozesse, Produktionen, Lieferketten kostenintensiv auf mehr Ökologie und Soziales umgestellt werden müssen. Startups haben hingegen von Tag 1 an die Möglichkeit, aus bekannten Fehlern zu lernen und Prozesse, Produktionen und Lieferketten direkt nachhaltig aufzubauen. Das ist ein großer Vorteil. Auch im Finanzierungsmarkt für Startups, kleine und mittelständische Unternehmen sowie Konzerne finden derartige Bewertungskriterien Einzug, was positiv zu sehen ist.
Ich finde es daher super, dass sich das Unternehmertum – im Großen wie im Kleinen – stark in diese Richtung entwickelt. Wir sehen viele Teams, die sich sehr stark dem Nachhaltigkeitsgedanken verschreiben. Unsere Aufgabe muss es dann sein, auch diesen sehr stark impact-getriebenen Teams zu vermitteln, dass ein gesunder Nachhaltigkeits-Dreiklang den ökonomischen Bereich nicht vernachlässigen darf. Geld durch Konsumentennachfrage zu verdienen ist der Grundstein, um weiter innovativ zu bleiben, Arbeitsplätze zu schaffen und mit dem erwirtschafteten Gewinn etwas Sinnvolles und Gutes zu tun.
Kristina Notz: Oft wird ja angenommen, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Verantwortung nicht zusammengedacht werden können oder dürfen. Man ist entweder gewinnorientiert oder impact-orientiert. Aber es ist aus unternehmerischer Sicht total clever, beides miteinander zu verknüpfen. Denn wenn ich mein Geschäftsmodell skaliere, skaliere ich automatisch meine Wirkung mit. Diese Herangehensweise funktioniert aber nur mit unternehmerischem Denken. Das fehlt vielen – die beschränken sich exklusiv auf das Impact-Denken, weil sie ja vor allem etwas Gutes tun wollen. Geld kann aber dabei der Mechanismus sein, um das Impact-Modell im Großen anzutreiben. Um mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass sich Impact und Wirtschaftlichkeit gegenseitig ausschließen, müssen wir noch viel Mindset-Arbeit leisten. Aber wir sehen auch: Bei vielen jungen Menschen heute ist dieses Denken schon stark vorhanden.
Mein Wunsch: All Entrepreneurship is social
Wie kann man noch mehr Social Impact in die Gründerszene hineinbringen? Was macht ihr jeweils mit euren Organisationen dafür und warum ist Zusammenarbeit so wichtig?
Robert Richter: Das WERK1 hat den klaren Fokus auf digitalen Tech-Startups. Dank unserer Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sind wir non-profit und no-equity, sodass wir auch Teams betreuen können, die durch ihren starken Impact-Charakter womöglich länger benötigen, um profitabel zu werden.
Wir kennen die Impact-Szene natürlich nicht so gut wie ihr von der Social Entrepreneurship Akademie, liebe Kristina. Daher finde ich es toll, wenn wir hier zusammenarbeiten und den Netzwerk-Gedanken leben. Wenn ihr impact-orientierte Teams im Bereich Tech und Digital habt, freuen wir uns, wenn ihr sie mit dem WERK1 vernetzt – wir schauen dann, wie wir sie mit Infrastruktur und unseren Services unterstützen können. Umgekehrt empfehlen wir euch Teams, die zum Beispiel Unterstützung bei der Entwicklung oder Skalierung ihres Impact-Modells brauchen. Im Netzwerk Gründerland Bayern und in den anderen digitalen Gründerszenen – immerhin mittlerweile über 28 Zentren bzw. Standorte bayernweit – sehe ich viel Potenzial für Teams mit Impact! Wir sind zu allen Schandtaten bereit!
Kristina Notz: Wir haben das Thema, dass vielen, die zu uns kommen und einen klaren Impact-Fokus haben, die unternehmerische Denkweise fehlt und wir sie in Richtung Entrepreneurship pushen müssen.
Mein großer Traum ist ja “All Entrepreneurship is Social” – also, dass wir wegkommen von dieser Einteilung in Social und Nicht-Social. Dass Impact der Standard wird, wie wir unternehmerisch denken und handeln. Da versuchen wir als Social Entrepreneurship Akademie und als Social-Startup-Hub Bayern mit unserer Unterstützung anzusetzen. Denn viele wissen nicht, wie sie die beiden Dimensionen zusammenbringen können. Auch an niedrigschwelligen, kleinen Stellen und Hebeln geht das – losgelöst vom Kernprodukt oder dem Kerngeschäft.
Uns hilft es natürlich, wenn eine Organisation wie ihr euren Teams einen Stupser gebt und sagt: Passt mal auf, da gibt es eine Dimension, die ist vielleicht nicht euer erstes Ziel, aber vielleicht macht ihr das kurz zu eurer Prio und arbeitet mit den Organisationen, die in dem Feld aktiv sind daran, Soziales und Umwelt mit anzupacken. Wir haben zum Beispiel den “Business Model Canvas” danach untersucht, an welchen Stellen im Geschäftsmodell man Impact einbauen könnte. Das kann in der Kommunikation sein. Das kann der Anbieter sein, bei dem ich mein Web-Hosting betreibe. Das kann aber auch in der Lieferkette sein. Total niedrigschwellig. Darüber kann man sich ein, zwei Stunden Gedanken machen, das verändert den Blick auf die Dinge. Irgendwann wird es dann mein Geschäftsmodell erreichen und mich auch für Investoren oder Mitarbeitende (noch) attraktiver machen. Impact ist also auch ein zusätzlicher Asset, den ich relativ niedrigschwellig verwirklichen kann, ohne Greenwashing zu betreiben.
Jede Idee sollte die Möglichkeit haben, zu wachsen
Was muss aus eurer Perspektive von politischer Seite dann noch passieren?
Robert Richter: Ich glaube, in der Politik ist das Thema Impact schon gut angekommen. Ich finde es wichtig, dass Initiativen wie der Social-Startup-Hub Bayern gefördert werden, um Impact-Teams eine Anlaufstelle und Heimat zu geben. Öffentlich geförderte Gründerzentren wie das WERK1 oder Initiativen wie der Social-Startup-Hub Bayern sind starke Stützen für das gesamte Startup-Ökosystem und ein Grund dafür, warum Bayern national wie international sehr gute Bedingungen für Gründerinnen und Gründer bietet und so erfolgreich ist.
Budgets für derlei Unterstützungseinheiten – Personal sowie Infrastruktur – sind gut angelegte Investitionen und begründen die zukünftige Wirtschaftskraft Deutschlands und Europas. Ansonsten vertrete ich immer die Ansicht: Regularien, Steuern und Ideologie runter, sodass jede Idee die Möglichkeit hat, als Pflänzchen zu wachsen!
Kristina Notz: Ich stimme dir zu – da sind viele wichtige Schritte gegangen worden und ich denke, für den Freistaat macht es Sinn, diese Pionierleistung weiter zu tragen: Unternehmerisch Dinge ausprobieren und sich darauf verlassen, dass die Pflänzchen, die gesät werden, langfristig wirken können. Dafür brauchen sie aber auch eine langfristige Perspektive – das betrifft die Startups, das betrifft aber auch Mittlerorganisationen, die im Unterstützungsumfeld der Teams unterwegs sind – das ist nicht nur für den Social Entrepreneurship-Bereich, sondern für alle Bereiche wichtig.
Ich würde mir ergänzend noch wünschen, dass gerade für impact-orientierte Startups über Kriterien eine gewisse Offenheit bei der Vergabe geschaffen wird oder dass diese Startups nicht aus Förderprogrammen fallen, weil sie aufgrund der Standard-Kriterien wie Umsatz oder Gewinn nicht gut genug abschneiden. Da gibt es bereits erste Ansätze und Initiativen, Förderprogramme sind teilweise schon geöffnet worden. Diesen eingeschlagenen Weg einfach mal weiterzugehen, finde ich sinnvoll. Erfolge zeigen sich schließlich erst langfristig, kein Startup ist nach einer Woche erfolgreich. Das dauert, auch mit Investment. Wir wissen das natürlich, aber Zeit und Politik widerstreben sich da eben manchmal!
Auch wenn Du Dich nicht vorrangig als Social Entrepreneur siehst, hat Deine Idee womöglich Potenzial, gesellschaftlichen Impact zu schaffen. Melde Dich bei uns und wir finden es heraus! Schau auch gerne unseren neuen Film, in dem Dir 6 inspirierende Gründer:innen zeigen, wie vielfältig Social Entrepreneurship ist:
Über Kristina Notz
Als Executive Director der Social Entrepreneurship Akademie initiierte sie 2022 den Social-Startup-Hub Bayern und baut derzeit gemeinsam mit ihrem Team ein bayernweites Angebot für wirkungs- und gemeinwohlorientierte Startups auf. Kristina ist bereits seit über 15 Jahren in der Social Entrepreneurship-Szene unterwegs und hat sich während dieser Zeit ein internationales Netzwerk und umfassende Erfahrung aufgebaut. 2023 wurde sie als “Top 100 Women in Social Enterprise” ausgezeichnet.
Über Robert Richter
Robert R. Richters Mission als Geschäftsführer des WERK1 ist es, das WERK1 als startup-freundlichsten Ort Münchens in die internationale Spitzenliga der Gründerzentren zu entwickeln. Durch seine Erfahrungen und Promotion im Bereich Fördermittelakquise unterstützt Robert Startups beim Thema Funding und verbindet als Netzwerker aus Leidenschaft Startups mit den richtigen Ansprechpartnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Als Speaker, Mentor und Juror verschiedenster Initiativen und Programme versucht er, das Thema Unternehmertum einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
die Social Entrepreneurship Akademie
Unter dem Motto „Education for Societal Change“ befähigt die Social Entrepreneurship Akademie Menschen, innovative Lösungen zu entwickeln, die wirtschaftlich tragfähig, sozial wirksam und ökologisch nachhaltig sind. Als Netzwerkorganisation der Münchner Universitäten bildet sie Kompetenzen im Bereich des sozialen Unternehmertums aus, um eine größtmögliche gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Vor fast zwei Jahren startete die Social Entrepreneurship Akademie im Auftrag des Freistaats Bayern den “Social-Startup-Hub Bayern”. Er bildet eine zentrale Anlaufstelle für Social Startups in ganz Bayern und berät und vernetzt kostenlos alle Gründer:innen und Gründungsinteressierte, die eine Idee haben, welche ein gesellschaftliches oder ökologisches Problem adressiert.
das WERK1
Das WERK1 ist der Startup-freundlichste Ort in München, zentral gelegen am Ostbahnhof. Hier finden seit 10 Jahren digitale Game Changer die idealen Bedingungen, um ihre unternehmerischen Träume zu verwirklichen. Mit Startup Inkubator, zwei Coworking Spaces, Café, Event-Flächen und einer Vielzahl von Veranstaltungen sind wir eine der zentralen Anlaufstellen für digitale Unternehmen in München. Im Sommer 2023 hat das WERK1 das erste Coliving Konzept für Startups in München eröffnet. Anfang 2024 folgte die Eröffnung des WERK1 Startup Hubs, sodass Teams auf über 10.000qm professionell betreut werden können.